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Roman

Olga_Ravn_Die_Angestellten_3D_2Olga Ravn, Die Angestellten
Ein Roman über Arbeit im 22. Jahrhundert

Radikal, rätselhaft und raffiniert.
Nachdenklich und unheimlich. Lesen!

Wir befinden uns im 22. Jahrhundert: Die Besatzung des Sechstausender-Raumschiffes besteht aus solchen, die geboren wurden, und solchen, die entwickelt und gebaut worden sind. Aus solchen, die sterben werden, und solchen, die nicht sterben werden. Als das Raumschiff eine Reihe seltsamer Objekte vom Planeten »Neuentdeckung« mit an Bord nimmt, muss die Besatzung verblüfft feststellen, dass sie sich alle wie magisch zu diesen Gegenständen hingezogen fühlen.

Plötzlich beginnen sich menschliche und humanoide Mitarbeiter gleichermaßen nach Wärme und Intimität zu verzehren. Sie sehnen sich nach Verstorbenen, nach Einkäufen und Kindererziehung, nach dem weit entfernten Planeten Erde, der nur mehr in der Erinnerung besteht. Nach und nach sehen die Crewmitglieder ihre Arbeit mit anderen Augen. Sie alle müssen sich schließlich der Frage stellen, ob sie so weitermachen können wie bisher.

Olga Ravn, Die Angestellten, MÄRZ (https://www.maerzverlag.de), 143 Seiten,
ISBN 978-3-7550-0009-9, 20 Euro.

 

WildJamey Bradbury, Wild

Im wahrsten Sinne des Wortes ein fantastischer Roman, einfach, weil er fantastisch ist und nebenbei auch noch eine fantastische Handlung hat und fantastisch geschrieben ist.

Die siebzehnjährige Tracy lebt mit Vater und Bruder in der Wildnis Alaskas. Sie hilft bei der Zucht und beim Training der Schlittenhunde und verbringt viel Zeit mit der Jagd im Wald. Eines Tages wird sie auf einem Streifzug von einem Fremden überfallen. Tracy wehrt sich und zückt ihr Messer, danach kann sie sich an nichts mehr erinnern. Zu Hause wagt sie nicht, von dem Vorfall zu berichten. Als ein mysteriöser jugendlicher Ausreisser bei der Familie auftaucht und behauptet, von einem Mann verfolgt zu werden, entsteht in Tracy der Verdacht, dass es sich dabei um den verletzten Unbekannten handelt. Immer mehr zu Jesse hingezogen, wird sie von panischer Angst vor dem Fremden im Wald erfasst. Ihr entgleitet alles, und sie zieht erneut ihr Messer …

In einem außergewöhnlichen Genremix entwickelt Jamey Bradbury eine dramatische Geschichte um ihre jugendliche Hauptfigur, deren animalisches Wesen zugleich fasziniert und verstört. John Irving charakterisiert den Roman als »ungewöhnliche Liebesgeschichte und gruseligen Horrorthriller, der sowohl an die Brontë-Schwestern wie an Stephen King gemahnt«.

Jamey Bradbury, Wild, Lenos Polar (https://lenos.ch), 390 Seiten,
ISBN 978-3-03925-024-0, 26 Euro.

 

FluechtigeFreundeAnna Caritj, Flüchtige Freunde

Raffinierter Campus-Roman, rasant und überraschend.

Halloween — die Nacht, in der man alles und jeder sein darf. Auf dem Collegecampus bereitet man sich aufgeregt auf das wilde Treiben vor. Leda, Studentin im dritten Jahr, will eigentlich cool bleiben, aber als Ian signalisiert, sie auf einer Party treffen zu wollen, lässt sie sich in die allgemeine Aufregung mit hineinziehen. Am nächsten Morgen wacht sie mit einen Filmriss und einer tiefen Wunde an der Lippe auf. Was genau ist letzte Nacht passiert? Als dann eine Kommilitonin vermisst wird, versucht Leda obsessiv herauszufinden, wo die stecken könnte. Immer unschärfer werden ihre Motive für diese Nachforschungen: Sucht Leda noch Charlotte? Oder eigentlich sich selbst?


Anna Caritj, Flüchtige Freunde, Berlin Verlag
(https://www.piper.de), 384 Seiten, ISBN 978-3-8270-1458-0, 24 Euro.

 

LiebePhilip Ellis, Liebe und
andere Schwindeleien

Humor, Action und prickelnde Romantik!
Witzige und coole Komödie.


Cat ist 30, freischaffende Grafikerin, loyale Freundin, die jede Hochzeitseinladung wahrnimmt (obwohl sie es sich eigentlich nicht leisten kann) – und Gelegenheitsbetrügerin. In der Bar des Oceanic Hotels entwendet sie wohlhabenden Geschäftsleuten kleine Geldsummen, und auch wenn ihre kriminelle Energie der schieren Verzweiflung entsprungen ist, die Pleitesein in London mit sich bringt, so muss sie doch zugeben, dass sie den Nervenkitzel liebt. Bis sie von Barkeeper Jake erwischt wird.

Warum er sie nicht verrät, findet Cat kurze Zeit später heraus: Jake ist ein Betrüger wie Cat – nur ein sehr viel besserer! Als Cat ihm vorschlägt, gemeinsam den drei Millionen Pfund teuren Verlobungsring ihrer Unifreundin Louisa zu stehlen, stimmt Jake nach einigem Zögern zu. Während die beiden Einzelgänger das verliebte Paar mimen, kommen sie einander tatsächlich näher. Doch kann Cat Jake vertrauen? Und wird es den beiden gelingen, den Coup ihres Lebens durchzuziehen und damit davonzukommen?

Philip Ellis, Liebe und andere Schwindeleien, Knaur Taschenbuch
(https://www.droemer-knaur.de), 352 Seite, ISBN 978-3-426-52957-7, 11,99 Euro.

 

ArchitektinMirko Beetschen,
Das Haus der Architektin

Rätselhaft, raffiniert und durchdacht!

Auf einer Insel im Neuenburgersee liegt das seit Jahrzehnten verlassene und völlig abgeschirmte Anwesen «Les Espoirs», um das sich zahllose Legenden ranken. Hier lebte die weitgehend in Vergessenheit geratene Architektin Marie-Yolande Rabaut, die sich jegliche Berichterstattung über ihr Haus verbat. Als ein Architekturjournalist den Auftrag erhält, diese modernistische Extravaganz als erster Reporter überhaupt zu besichtigen und exklusiv darüber zu berichten, kann er sein Glück kaum fassen. In Begleitung seiner zwei Hunde lässt er sich von einem Fischerboot auf der Insel absetzen, um die Liegenschaft in Ruhe zu erkunden.

Doch seine anfängliche Begeisterung für die architektonischen Kuriositäten schlägt schon bald in Ratlosigkeit um. Wofür sind all diese Räume und labyrinthischen Korridore? Und warum verhalten sich seine Hunde so auffällig? Je länger er auf der Insel weilt, desto unwohler wird ihm. Als er sich verletzt und feststellen muss, dass alle Verbindungen zum Festland gekappt sind, bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Nacht allein mit seinen Hunden im Haus zu verbringen. Allein?

Mirko Beetschen, Das Haus der Architektin, Zytglogge Verlag (https://www.zytglogge.ch), 232 Seiten, ISBN 978-3-7296-5124-1, 29 Euro.

 

GraceAdamsFran Littlewood,
Die unglaubliche Grace Adams

Großartig und emotional! Der große Frauenroman aus England: tragisch und komisch, warmherzig und witzig, alltäglich und wunderbar wahnsinnig.

An diesem Tag hat sich alles gegen Grace Adams verschworen. Dabei ist ihr Leben ohnehin schon aus der Bahn geraten: Ihr Mann Ben und Teenie-Tochter Lotte haben sich eine andere Wohnung gesucht, und Grace ist zu Lottes 16. Geburtstag ausgeladen. Grace ist eine Frau mit vielen Talenten, sie geht locker mit den eigenen Macken um und hat die vielen Rollen einer modernen Frau eigentlich gut im Griff. Was ist bloß passiert?

Grace ist entschlossen, um ihre Familie zu kämpfen. Sie fährt zu Ben und Lotte, doch alles scheint sich ihr in den Weg zu stellen, es ist wie ein Hindernislauf. Grace Adams reicht es. Am heißesten Tag des Jahres ist sie entschlossen, allen und sich selbst zu beweisen, dass sie unglaublich ist.

Fran Littlewood, Die unglaubliche Grace Adams, Ullstein Paperback
(https://www.ullstein.de), 368 Seiten, ISBN 9783864932083, 16.99 Euro.

 

gary_victor-der_magische_pfad-websiteGary Victor,
Der magische Pfad

Roman mit Suchtpotential. Eine wilde Phantasmagorie, in der Komik und Tragik, die diesseitige und die jenseitige Welt ineinander übergehen. Realistische Sozialkritik trifft auf die mythologische Tradition Haitis. Ein Buch, das man ohne Atempause in einem Zug durchliest.

Persée Persifal, einer der wenigen Gerechten im Land, wird von einem korrupten Politiker vergiftet und droht, zum Zombie gemacht zu werden. Entschlossen, ihn zurückzuholen, begibt sein Freund Sonson Pipirit sich auf den Pfad, auf dem die Untoten ihrer Bestimmung zugeführt werden. In einer Nacht durchquert er zwei Jahrhunderte haitianischer Geschichte, begegnet Geistern und Dämonen, Helden und Schurken, besteht lebensgefährliche Abenteuer und hinterlässt bei sterblichen und unsterblichen Frauen immer wieder nachhaltigen Eindruck …

Gary Victor, Der magische Pfad, LitraDukt (https://litradukt.de),
368 Seiten, ISBN 978-3-940435-44-6, 24 Euro.

 

MondeClemens J. Setz,
Monde vor der Landung

Einfühlsam, anregend, kurios und furios! Der neue Roman des Georg-Büchner-Preisträgers 2021. Clemens J. Setz rekonstruiert eine reale, so bewegende wie verstörende Lebens- und Familiengeschichte. Mehr noch ist Monde vor der Landung aber die Untersuchung der zerstörerischen Wahnwelt eines manischen Egozentrikers und die Veranschaulichung eines Querdenkertums avant la lettre: bestürzend aktuell, von unüberbietbarer sprachlicher und gedanklicher Originalität.

Worms, Anfang der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Peter Bender, ehemals Fliegerleutnant des Deutschen Heeres, macht sich als Gründer einer neuen Religionsgemeinschaft und mit der Proklamation der sogenannten Hohlwelt-Theorie einen Namen: Die Menschheit, so diese Theorie, lebe nicht auf, sondern in einer Kugel, außerhalb derselben existiere nichts. Benders Gemeinde bleibt überschaubar, dennoch wird er wegen der Verbreitung aufwieglerischer und gotteslästerlicher Flugschriften zu einer mehrmonatigen Kerkerhaft verurteilt.

Als sich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten herumspricht, dass seine Frau Jüdin ist, wenden sich selbst seine engsten Gefolgsleute von ihm ab. Die Benders verarmen, die Repressionen gegen seine Frau werden bald unerträglich, bis die Familie 1942 verhaftet und deportiert wird. Nur der Sohn überlebt das Konzentrationslager.

Clemens J. Setz, Monde vor der Landung, Suhrkamp (https://www.suhrkamp.de),
528 Seiten, ISBN 978-3-518-43109-2, 26 Euro.

 

Eschbach-Der-schlauste-Mann-der-WeltAndreas Eschbach,
Der schlauste Mann der Welt

Gut wie alles aus Eschbachs Feder, mit einem sehr interessanten und außergewöhnlichen Charakter.

Jens Leunich besitzt nur so viel, wie in zwei Koffer passt – und außerdem genug Millionen auf dem Konto, um sein ganzes Leben in den Luxushotels der Welt zu verbringen. Abgesehen davon tut er – nichts. Gar nichts. Denn nichts zu tun, hat er erkannt, ist der beste Weg, die Welt zu retten. Bloß ist nichts zu tun nicht so einfach, wie die meisten denken. Diese und andere schlaue Einsichten will er nun niederschreiben – doch ganz gegen seine Gewohnheiten muss er sich damit beeilen, denn er hat nur noch zehn Tage zu leben …



Andreas Eschbach, Der schlauste Mann der Welt, Lübbe Hardcover
(https://www.luebbe.de), 222 Seiten, ISBN 978-3-7857-2849-9, 22 Euro.

 

BaeumePercival Everett, Die Bäume

Meisterhaft: komisch und grauenvoll zugleich. Auf der Shortlist für den Booker Preis 2022.

USA, Anfang des 21. Jahrhunderts: Im Städtchen Money in den Südstaaten werden mehrere Männer ermordet: meist dick, doof und weiß. Neben jeder Leiche taucht ein Körper auf, der die Züge von Emmett Till trägt, eines 1955 gelynchten schwarzen Jungen. Zwei afroamerikanische Detektive ermitteln, doch der Sheriff sowie eine Gruppe hartnäckiger Rednecks setzen ihnen erbitterten Widerstand entgegen. Als sich die Morde auf ganz Amerika ausweiten, suchen die Detektive des Rätsels Lösung in den Archiven von Mama Z, die seit Jahrzehnten Buch führt über die Opfer der Lynchjustiz in Money. Eine atemberaubende Mischung aus Parodie und Hardboiled-Thriller, wie es sie bislang in der amerikanischen Literatur nicht gegeben hat.

Percival Everett, Die Bäume, Carl Hanser Verlag (https://www.hanser-literaturverlage.de), 368 Seiten,
ISBN 978-3-446-27625-3, 26 Euro.

 

SarrMohamed Mbougar Sarr,
Die geheimste Erinnerung
der Menschen

Eine atemberaubende Spurensuche – ein großartiges Buch. Ausgezeichnet mit dem Prix Goncourt – Mohamed Mbougar Sarrs großer Roman über die Suche nach einem verschollenen Autor.

Mohamed Mbougar Sarr erzählt virtuos von der Suche nach einem verschollenen Autor: Als dem jungen Senegalesen Diégane ein verloren geglaubtes Kultbuch in die Hände fällt, stürzt er sich auf die Spur des rätselhaften Verfassers T.C. Elimane. Dieser wurde in den dreißiger Jahren als „schwarzer Rimbaud“ gefeiert, nach rassistischen Anfeindungen und einem Skandal tauchte er jedoch unter. Wer war er? Voll Suchtpotenzial und unnachahmlicher Ironie erzählt Sarr von einer labyrinthischen Reise, die drei Kontinente umspannt. Ein meisterhafter Bildungsroman, eine radikal aktuelle Auseinandersetzung mit dem komplexen Erbe des Kolonialismus und eine soghafte Kriminalgeschichte. Ein Buch, das viel wagt – und triumphiert.

Mohamed Mbougar Sarr, Die geheimste Erinnerung der Menschen, Carl Hanser Verlag (https://www.hanser-literaturverlage.de),
448 Seiten, ISBN 978-3-446-27411-2, 27 Euro.

 

Baret Magarian, Die Erfindung der WirklichkeitBaret Magarian,
Die Erfindung der Wirklichkeit

Irrsinnig und genial! Eine surreale Gesellschaftssatire
auf Allmachtsfantasien und die Absurdität der gegenwärtigen Medienwelt.

Inmitten einer Schaffenskrise kommt dem Londoner Schriftsteller Daniel Bloch die zündende Idee: Warum nicht eine Geschichte über seinen Freund Oscar Babel erfinden? Das leere Leben des notorischen Langweilers mit Fiktion füllen? Doch während Bloch sich zum Schöpfer aufschwingt, entwickeln die Geister, die er rief, ein unheimliches Eigenleben. Was er schreibt, wird allmählich Wirklichkeit! So gerät Oscar in die Fänge des teuflischen Spindoktors Ryan Rees und ins Zentrum eines entfesselten Medienhypes, der immer bedrohlichere Ausmaße annimmt …

Ruhm, Identität, Wirklichkeit: alles lässt sich medial fabrizieren. Baret Magarian entführt uns in eine fantastische Welt, in der Kunst und Künstlichkeit, Liebe und Wahnsinn, das Reale und das Erfundene einen rauschhaften Sog entfalten – eine Welt, die längst unsere eigene ist.

Baret Magarian, Die Erfindung der Wirklichkeit, Folio Hardcover
(https://www.folioverlag.com), 480 Seiten, ISBN 978-3-85256-861-4, 28 Euro.

 

Cormac McCarthy, Der PassagierCormac McCarthy,
Der Passagier


Große Kunst! Ein Meisterwerk vom virtuosesten Autor seiner Zeit. Sechzehn Jahre nach seinem Weltbestseller Die Straße kehrt Pulitzer-Preisträger Cormac McCarthy zurück mit dem ersten Teil seines zweibändigen Meisterwerks. Der Passagier und Stella Maris: Zwei Romane ohne Vorbild. Die Wahrheit des einen negiert die des anderen.

1980, Pass Christian, Mississippi: Bobby Western, Bergungstaucher mit Tiefenangst, stürzt sich ins dunkle Meer und taucht hinab zu einer abgestürzten Jet Star. Im Wrack findet er neun in ihren Sitzen festgeschnallte Leichen. Es fehlen: der Flugschreiber und der zehnte Passagier. Bald mehren sich die Zeichen, dass Western in etwas Größeres geraten ist. Er wird von skrupellosen Männern mit Dienstausweisen verfolgt und heimgesucht von der Erinnerung an seinen Vater, der an der Erfindung der Atombombe beteiligt war, und von der Trauer um seine Schwester, seiner großen Liebe und seinem größten Verderben.

Der Passagier führt – von den geschwätzigen Kneipen New Orleans‘ über die sumpfigen Bayous und die Einsamkeit Idahos bis zu einer verlassenen Ölplattform vor der Küste Floridas – quer durch die mythischen Räume der USA. Ein atemberaubender Roman über Moral und Wissenschaft, das Erbe von Schuld und den Wahnsinn, der das menschliche<
Bewusstsein ausmacht.

Cormac McCarthy, Der Passagier, Rowohlt (https://www.rowohlt.de), 528 Seiten,
ISBN 978-3-498-00337-1, 28 Euro.

 

SchauergeschichtenPéter Nádas, Schauergeschichten

Unheimlich unheimlich, gewaltig gewaltig! Péter Nádas’ neuer Roman ist ein unerwartetes Geschenk. Sprachgewaltig und vielstimmig erzählt er das Leben eines Dorfes am Fluss mit all seinen Bewohnern.

Da sind die großen Bauern wie die Tagelöhner, der Priester und der evangelische Pfarrer, ein geistig behindertes Mädchen, eine junge Mutter, der Schäfer des Dorfes, der Lehrer, eine Frau, die Jahrzehnte zuvor unwiderruflich in Schande geriet, ein vom Teufel besessener Bäcker, dazu entwurzelte Aristokraten und Grandes Dames auf Landpartie. Ein Panoptikum von Figuren, getrieben von Missgunst und Bosheit. Und um die Menschen des Dorfes herum: Gespenster.

Im Verlauf weniger Tage begegnen uns namenloses Elend, Schwäche, Abhängigkeit und Gewalt, in einer Welt, die an Céline und Tschechow erinnert, in der Sprache sich in ihr Gegenteil verwandelt, die Unfähigkeit zu sprechen. Rohe Gier und plötzliche Großmut wechseln einander ab, während dämonische Triebkräfte die Leben der Menschen chaotisch steuern. Dabei fließt die Erzählung ruhig dahin, schlägt Bögen, versammelt immer mehr Orte und Akteure und trägt uns ohne Aussicht auf Rettung einem alles umfassenden Unheil zu.

Péter Nádas, Schauergeschichten, Rowohlt (https://www.rowohlt.de), 576 Seiten,
ISBN 978-3-498-00228-2, 30 Euro.

 

Ian McEwan, LektionenIan McEwan, Lektionen

Ein großer Roman: Ian McEwan erzählt das Auf und Ab eines ganzen Menschenlebens. Eine Meditation über den Einfluss der großen Geschichte auf unser kleines Schicksal, über verpasste Chancen, verschlungene Wege und das, was bleibt.

Roland wächst als Sohn eines britischen Armeeoffiziers in Libyen auf. Es ist ein Schock, als er mit elf Jahren nach England ins Internat geschickt wird, zweitausend Meilen von seiner Mutter entfernt. Dort macht er, viel zu jung, eine Begegnung, die tiefe Wunden hinterlassen wird. Und die Erinnerung an eine Liebe, die niemals verblasst. Als junger Mann lässt sich Roland durchs Leben treiben, er hat vielfältige Talente, aber keine großen Ambitionen, und hangelt sich von einem Job als Texter und Barpianist zum nächsten, von einer Frau zur nächsten.

Bis er beim Deutschunterricht im Goethe-Institut Alissa Eberhart kennenlernt, eine Frau mit einer umwerfenden Sinnlichkeit, deren Willen, etwas zu werden und zu erschaffen, aber stärker ist als er – und sogar stärker als die Familie, die sie zusammen gründen. Von der Kindheit bis zum hohen Alter, von der Suez- über die Kubakrise, den Fall der Berliner Mauer bis hin zu Pandemie und Klimawandel.

Ian McEwan, Lektionen, Diogenes Verlag (https://www.diogenes.ch), 720 Seiten,
ISBN 978-3-257-61311-7, 27,99 Euro.

 

DiamantThomas Hürlimann,
Der Rote Diamant

Furios, spannend, grotesk, brillant:
ein wahres Lesevergnügen.


»Pass dich an, dann überlebst du«, bekommt der elfjährige Arthur Goldau zu hören, als ihn seine Mutter im Herbst 1963 im Klosterinternat hoch in den Schweizer Bergen abliefert. Hier, wo schon im September der Schnee fällt und einmal im Jahr die österreichische Exkaiserin Zita zu Besuch kommt, wird er zum »Zögling 230« und lernt, was schon Generationen vor
ihm lernten.

Doch das riesige Gemäuer, in dem die Zeit nicht zu vergehen, sondern ewig zu kreisen scheint, birgt ein Geheimnis: Ein immens wertvoller Diamant aus der Krone der Habsburger soll seit dem Zusammenbruch der österreichischen Monarchie im Jahr 1918 hier versteckt sein. Während Arthur mit seinen Freunden der Spur des Diamanten folgt, die tief in die Katakomben des Klosters und der Geschichte reicht, bricht um ihn herum die alte Welt zusammen. Rose, das Dorfmädchen mit der Zahnlücke, führt Arthur in die Liebe ein, und durch die Flure weht Bob Dylans »The Times They Are a-Changin
ʼ«.

Thomas Hürlimann, Der Rote Diamant, S. FISCHER (https://www.fischerverlage.de),
320 Seiten, ISBN 978-3-10-397071-5, 24 Euro.

 

UtopiaAvenueDavid Mitchell, Utopia Avenue

Tolle Reise in eine denkwürdige Zeit –
ich habe das Buch verschlungen.

In der Londoner Psychedelic-Szene der späten Sixties finden sich Folksängerin Elf Holloway, Bluesbassist Dean Moss, der Gitarrenvirtuose Jasper de Zoet und der Jazzdrummer Griff Griffin und erschaffen zusammen einen einzigartigen Sound, mit Texten, die den Aufbruchsgeist der Zeit atmen. Nur zwei Alben produziert die Band. Doch ihr Erbe lebt fort.

Dies ist die Geschichte von Utopia Avenues kurzer, rasanter Reise, von den kleinen Clubs in Soho und den englischen Provinzkäffern ins Land der Verheißung, Amerika – als der technicolorbunte Sommer der Liebe gerade etwas viel Dunklerem weicht. Ein greller Trip ins Land der Träume, der Drogen, des Sex, des Wahnsinns und der Trauer, ein Buch über einen faustischen Pakt für Ruhm und Erfolg, über den Zusammenprall von jugendlichem Aufbruch und trister Spießigkeit.

Doch vor allem ist dies ein gewaltiger Liebesbrief an die Musik der Sixties, an deren Kraft, uns über alle Grenzen hinweg zu verbinden. David Mitchells «Utopia Avenue» ruft eine Zeit voller Träume und Verheißungen zurück, die immer noch nachwirken.

David Mitchell, Utopia Avenue, Rowohlt Verlag (https://www.rowohlt.de), 752 Seiten,
ISBN 978-3-498-00227-5, 26 Euro.

 

StahlmannLeona Stahlmann, Diese ganzen belanglosen Wunder

Magisch. Ein Roman von großer Sogkraft. Sinnlich.
Einfach erlesen.

Auf einer stillgelegten alten Saline lebt Zeno mit seiner Mutter Leda. Hier in den Salzmarschen gelten eigene Gesetze, ab und an steigt der Fluss ins Haus, die Vögel werden immer weniger. Als Leda dem Jungen nicht länger beim Verlieren seiner Welt zusehen kann, verschwindet sie. Doch Zeno hält sich noch an die kleinsten Wunder. Über die verschlungenen Wege einer App lernt er Katt kennen, die auf der Flucht vor dem Ende einer Liebe ist – und das Zusehen aushält. Und bald zieht es auch andere, dem Großstadtleben am Rande der Apokalypse müde Menschen in die karge, schöne Marschlandschaft. Ein schillernder Roman über die Sehnsucht nach Natur, lebensrettende Wahlverwandtschaften und die Hoffnung, die in den Gezeiten liegt.

Leona Stahlmann, Diese ganzen belanglosen Wunder, dtv Hardcover (https://www.dtv.de), 400 Seiten, ISBN 978-3-423-44618-1, 16,99 Euro.

 

WitzJoshua Cohen, Witz

Gewaltig. Einmalig. Komisch und kosmisch. Unterhaltsam und ausufernd. Einfach gut.

Witz – das heißt nicht nur Scherz, sondern auch Sohn. Benjamin ist der einzige Sohn und das dreizehnte Kind von Hausfrau Hanna und Rechtsanwalt Israel Israelien, die von Überlebenden der Shoa abstammen. Er kommt am letzten Weihnachten des letzten Jahrtausends vollständig ausgewachsen und mit Bart und Brille in New Jersey auf die Welt, als eine mysteriöse Seuche die gesamte jüdische Bevölkerung der USA dahinrafft. Benjamin überlebt als Einziger und wird zunächst zur Kultfigur, als das aufs Neue ausgerottete Judentum auf einmal schick wird.

Doch in diesem Roman der Umkehrungen und Rollenspiele, in dem nun die Nichtjuden verfolgt werden, wird auch Benjamin wieder zum Ausgestoßenen und Gejagten und wiederholt das Leben in der Diaspora. Gegen die Verkitschung des Holocaust zieht Joshua Cohen, der viel beachtete Autor von Buch der Zahlen, alle Register der Komik und Parodie, mischt Biblisches mit Standup-Comedy, Hochkultur mit Trash, Familiengeschichte mit Slapstick. So gelingt ihm ein fulminantes Opus magnum: mit Witz.

Joshua Cohen, Witz, Schöffling &. Co. (https://www.schoeffling.de), 912 Seiten,
ISBN 978-3-89561-629-7, 38 Euro.

 

Karila_FluchdesHechts_CoverJuhani Karila,
Der Fluch des Hechts

Anders, originell, komisch - der dreifach preisgekrönte Debütroman des literarischen Shooting-Stars aus Finnland! Der Fluch des Hechts erzählt mit doppelbödigem Humor eine tragische Liebesgeschichte sowie eine Geschichte über die unberechenbare Macht der Natur, ihre Magie, und nicht zuletzt über den Menschen und was er mit der Natur anrichtet.

Wie jedes Jahr kehrt Elina Ylijaako in ihr Heimatdorf im Osten Lapplands zurück. Dort hat sie drei Tage Zeit, um einen Hecht zu fangen. Doch dieses Jahr läuft nichts wie geplant. Als ein Näck in den Sümpfen erscheint und sich Elina in den Weg stellt, wird ihr Angelausflug plötzlich zu einem Abenteuer auf Leben und Tod. Währenddessen sucht eine Polizistin wegen Mordverdachts nach ihr und wird selbst in das mysteriöse Treiben magischer Gestalten hineingezogen. In einem fulminanten Showdown gilt es den Fluch des Hechts zu brechen, der tief in Elinas Vergangenheit verwurzelt ist.

Juhani Karila, Der Fluch des Hechts, homunculus Hardcover
(https://homunculus-verlag.de), 304 Seiten, ISBN 978-3-946120-76-6, 24 Euro.

 

FischersFrauKarin Kalisa, Fischers Frau

Beschwingt erzählt und wunderbar zu lesen. In »Fischers Frau« lässt Karin Kalisa die Geschichte der Pommerschen Fischerteppiche lebendig werden. Die Bestseller-Autorin verwebt die Kunst des Teppich-Knüpfens mit den Lebensfäden zweier Frauen zu einem ebenso wahrhaftigen wie phantastischen Roman.

Südliche Ostsee, 1928: Ein dreijähriges Fangverbot macht die Fischer arbeitslos – statt hinaus aufs Meer zu fahren, setzen sie sich an Webstühle und knüpfen Teppiche, die die Welt der See zeigen – oder der Welt die See, wie man es nimmt. Ein österreichischer Tapisserist lehrt sie die Knoten, auf die es ankommt: Senneh und Smyrna. Die "Perser von der Ostsee" entwickeln sich europaweit zum Verkaufsschlager.

Fast einhundert Jahre später wird der zurückgezogen lebenden Kuratorin Mia Sund ein sehr seltsames Exemplar auf den Tisch gelegt: In seinem Flor irrlichtern Hunderte von Grüntönen, segeln Koggen unter mysteriösen Flaggen, tanzen kleine Wellen in den Augen der Fische und eine ornamentale Borte entpuppt sich als vieldeutige Chiffre. Zum ersten Mal nach zwölf Jahren beantragt Mia eine Dienstreise und macht sich quer durch Europa auf die Suche nach der Knüpferin und ihrer Botschaft, die die alte Erzählung vom Fischer und seiner Frau auf den Kopf stellt.

Karin Kalisa, Fischers Frau, Droemer Hardcover (https://www.droemer-knaur.de),
256 Seiten, ISBN 978-3-426-28209-0, 22 Euro.

 

ImkerGerhard Roth, Die Imker

Facettenreiche Dystopie, rätselhaft und wortgewandt.

Es ist der Morgen des 1. April, als etwas Ungeheures geschieht: Ein gelber Nebel zieht auf, der die Menschen buchstäblich in Luft auflöst. Aber nicht alle Menschen sind verschwunden, stellt Franz Lindner fest, der Erzähler dieses alle Grenzen sprengenden Romans. Er selbst hat als Patient einer Einrichtung für psychisch beeinträchtigte Künstlerinnen und Künstler die Katastrophe überlebt – wie auch die anderen Patienten, Ärzte und Besucher. So unfasslich das Ereignis ist, so konkret muss der Alltag jetzt organisiert werden.

Eine Dorfgemeinschaft aus Bienenzüchtern entwickelt sich, und Franz Lindner wird ihr Chronist. Aber die neue Welt ist keine friedliche: Gewalt, Hass und Eifersucht sind nicht verschwunden, und auch die Natur scheint sich vom Menschen befreien zu wollen. Zwei Jahre begleiten wir »die Imker« durch eine Welt, in der Traum und Wirklichkeit nicht zu unterscheiden sind. Dann macht ein weiteres unerklärliches Ereignis der Geschichte ein überraschendes Ende.

Gerhard Roths »Die Imker« ist ein philosophischer Roman im Setting einer Dystopie. Er behandelt die Entstehung von Gesellschaft und das Wesen des Menschen, vor allem die Bedeutung des Unbewussten und das Rätsel des Todes. Es ist das Spätwerk eines großen Autors, der in einem parabelartigen Gedankenspiel noch einmal alle Motive seines Denkens und Schreibens versammelt.

Gerhard Roth, Die Imker, S.Fischer (https://www.fischerverlage.de), 560 Seiten,
ISBN 978-3-10-397467-6, 32 Euro.

 

KuriosesSimon Stephenson,
Kurioses über euch Menschen

Gut geschrieben, witzige und kluge Hommage an das Menschsein und seine Tücken.

2054: Die Menschheit hat sich aus dem Internet ausgeschlossen, Elon Musk versehentlich den Mond verbrannt und viele Arbeiten werden von Robotern verrichtet. Vorwiegend die, für die keine Empathie nötig ist – denn Roboter kennen keine Gefühle. Wie Jared. Er sieht aus wie ein Mensch und arbeitet als Zahnarzt.

Aber eines Tages beginnt Jared zu fühlen. Sein Arzt schickt ihn zum Selbstversuch ins Kino, wo Jared 27 ml Tränen vergießt und erkennt, dass Gefühle etwas Wunderbares sind! Er beschließt, den Menschen zu zeigen, dass Roboter auch ein Recht darauf haben. Und wie könnte das besser gelingen, als mit einem Film? Also geht Jared nach L. A. und landet als Tellerwäscher in einem Tacoladen. Dort lernt er Kellnerin Amber kennen, und seine Gefühle spielen verrückt. Amber scheint es genauso zu gehen – doch wie soll er ihr erklären, dass er ein Roboter ist? Zu allem Überfluss läuft es mit seinem Film so gar nicht wie geplant …

Simon Stephenson, Kurioses über euch Menschen, Kindler Verlag (https://www.rowohlt.de), 480 Seiten, ISBN 978-3-463-00019-0, 22 Seiten.

 

FeuerElizabeth Lee,
Unser
Feuer erlischt nie

Kraftvolle, atmosphärische Geschichte
um eine starke Frau.

Lancashire, 1620: Die junge Sarah Haworth lebt mit ihrer Familie als Ausgestoßene auf dem Pesthügel vor dem Dorf. Die Gemeinschaft verachtet unverheiratete kluge Frauen wie sie, aber ihre Dienste – heilende Balsame, Kräutermittel – sind immer gefragt. Als Sarah den Bauernsohn Daniel kennenlernt, ändert sich alles. Er sieht in ihr nicht die wilde Außenseiterin, sondern eine starke junge Frau, die zu sich selbst findet. An seiner Seite, unter seinem Schutz, hofft Sarah auf ein besseres Leben. Doch als ein neuer Magistrat in die Gegend kommt und seltsame Todesfälle untersucht, nimmt die Hetze der Dorfbewohner zu. Und plötzlich hält auch Daniel eine brennende Fackel
in der Hand …

Elizabeth Lee, Unser Feuer erlischt nie, List Hardcover
(https://www.ullstein-buchverlage.de), 416 Seiten, ISBN 9783471360439, 19,99 Euro.

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